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Titel
Macht und Medien um 1500. Selbstinszenierungen und Legitimationsstrategien von Habsburgern und Fuggern


Autor(en)
Kagerer, Alexander
Reihe
Deutsche Literatur. Studien und Quellen 23
Erschienen
München 2017: de Gruyter
Anzahl Seiten
XI, 526 S.
Preis
€ 99,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jörg Schwarz, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Ausgangspunkt des Buches, das eine Reihe von Studien zusammenfasst, die in Verbindung mit dem Münchener Teilprojekt „Herrschernatur(en). Verkörperungen von Herrschaft im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit“ stehen, ist die Überlegung, dass sich Machtsysteme nicht aus sich selbst heraus erklären, sondern sich vielmehr begründen müssten.1 Sie seien prinzipiell labil und, diachron wie synchron betrachtet, dem steten historischen Wandel ausgesetzt. Auch trügen sie Unfertiges in sich oder wie Kagerer sagt: „den Moment des Entwurfs“. Deswegen bedürften sie sogenannter „Selbstsymbolisierungen“ (S. 3). Erst in unterschiedlichen textuellen wie visuellen Entwürfen – oder der Kombination beider mit je eigenen Schwerpunktsetzungen – sowie in kulturell je spezifischen Mechanismen und narrativen Dispositiven, wie beispielsweise Geltungsgeschichten, könnten Machtsysteme für sich Legitimität generieren. Eine besondere Rolle im Rahmen der Machtsicherung komme dabei dem in Text und Bild zur Schau gestellten Körper des Mächtigen zu. Er sei zur „Realisierung von Macht das entscheidende Instrument“ (S. 18). Auch der kranke oder beschädigte königliche Körper habe in diesem Sinne auf wichtige Weise funktionalisiert werden können (S. 120f.).

An diese anspruchsvollen Überlegungen anknüpfend, will Kagerer anhand exemplarischer Untersuchungen zweier Machtdemonstrationen um 1500 den Versuch einer Spezifizierung unternehmen. Dabei stehen für ihn zum einen die Entwürfe „uralten“ Blutes unter Kaiser Maximilian I. im Mittelpunkt. Zweitens geht es ihm um die Entwürfe des „frischen“ Blutes der Fugger aus Augsburg. Kagerer will dabei untersuchen, wie das „alte“ Blut der Dynastie und das „neue“ Blut der aufgestiegenen Kaufmannsfamilie „konstituiert“ werden (vielleicht hätte man besser gesagt: als Argument gebraucht und anerkannt werden). Die ambitionierte Einleitung – und konsequenterweise die gesamte weitere Arbeit – leidet ein wenig daran, dass der Begriff Macht nicht eigentlich definiert, sondern von Anfang an eher unreflektiert vorausgesetzt wird; das aber wird der Komplexität des Phänomens nicht gerecht. In angemessener Berücksichtigung der aktuellen Forschungsliteratur – es genüge ein kurzer Hinweis auf Christine Reinles grundlegenden Aufsatz von 20152 – hätte diese definitorische Unschärfe oder richtiger: Nicht-Definition umgangen werden können.

Dennoch ist die Lektüre des Buches ein Gewinn. Nach Vorüberlegungen, die um die Themen Macht und Herrschaft im Übergang sowie um Spezifika der Dynastie der Habsburger kreisen, untersucht Kagerer im ersten Kapitel die berühmten Bücher Kaiser Maximilians, den Weißkunig, den Teuerdank und den Freydal. Kagerer knüpft an die wegweisende Deutung dieser Texte durch Jan-Dirk Müller von vor 40 Jahren an.3 Er kann dabei, vor allem, was den konkreten Entstehungsprozess dieser Texte und die von der Forschung intensiv diskutierte Einbeziehung des schillernden Mitarbeiterkreises des Kaisers anbelangt, wichtige eigenständige Akzente setzen. Hilfreich und gut sind die immer wieder in den fortlaufenden Text eingebauten Bildbeigaben, die Reproduktionen einzelner Abschnitte der originalen Handschriften und die geschickt ausgewählten Quellenzitate. Ebenfalls untersucht in diesem Kapitel werden herausragende Monumente wie das Innsbrucker Goldene Dachl mit seinem vielschichtigen Fresken- und Figurenprogramm (S. 168–176), der farbenfrohe Habsburger-Stammbaum auf Schloss Tratzberg bei Jenbach in Tirol (S. 176–184), das Holzschnittwerk "Ehrenpforte" (S. 184–195), das monumentale Druckwerk "Triumphzug" (S. 195–205) und das Torso gebliebene Grabmalsprojekt (S. 206–213).

Überzeugend insbesondere sind die Ausführungen Kagerers darüber, wie der Leichnam des Kaisers selbst zum Medium wurde (S. 214). Zurecht einbezogen in dieses Kapitel, das in treffenden Beobachtungen die große Medienvielfalt der Herrschaftsrepräsentation Maximilians und ihre Ausdrucksformen eindrucksvoll dokumentiert4, werden auch die Fürstliche Chronik und der Zaiger (S. 215–266), zwei Werke des gebürtigen Bregenzers Jakob Mennel, neben Ladislaus Sunthaym der wichtigste Genealoge des Kaisers. Alle diese Quellenzeugnisse gelten Kagerer zu Recht als „besonders leuchtende Beispiele für Entwürfe von Macht um 1500“, als multimedial angelegte Werke, die sich in Schrift, Bild und Monument manifestiert hätten (S. 267).

Es ist richtig und gut, dass in diesem Zusammenhang mehrfach auf die Rolle Friedrichs III. hingewiesen wird, der im dynastisch-genealogischen Programm der Habsburger um 1500 tatsächlich vieles von dem, was Maximilian weiter ausführen ließ, vorweggenommen hat, auch wenn wichtige Erörterungen dazu von Kagerer unnötigerweise in die Fußnoten herabgedrückt worden sind (S. 50 Anm. 30). Falsch ist es zu sagen, dass es bis in die neueste Forschung hinein „große Vorbehalte“ gegenüber Friedrich III. gäbe (S. 57). Über das negative, durch borussische Historiographie des 19. Jahrhunderts vergiftete Friedrich-Bild vergangener Tage braucht heute niemand mehr ernsthaft zu reden. Was die neueste Forschung anbelangt, so ist „Vorbehalte“ nicht der richtige Ausdruck. Wenn die neueste Forschung klug urteilt, dann hat sie keine „Vorbehalte“, sondern nimmt bestimmte Züge an der Figur als Defizite wahr, derer sich Friedrich selbst bewusst gewesen ist, was etwas grundlegend anderes ist. Natürlich hat es bei allen Gemeinsamkeiten zwischen Friedrich III. und Maximilian in den Inhalten der Politik und den Formen ihrer Inszenierung erhebliche Unterschiede zwischen den beiden gegeben. Es ist jedoch falsch, diese Unterschiede in der anders gearteten „Inszenierung“ des Kaisertitels zu sehen (S. 59 Anm. 34), da der Verzicht auf den Romzug, von Friedrich III. repräsentativ ausgeführt, bei Maximilian nicht freiwillig erfolgte.

Im dritten Kapitel, überschrieben mit „Das frische Blut der Fugger“, geht es um entsprechende Macht-Inszenierungen und Selbstdarstellungen bei der Augsburger Kaufmannsfamilie in ihren Zweigen. Immer wieder im Mittelpunkt der Untersuchung steht das Ehrenbuch der Fugger, das Kagerer von einem Spannungs- oder gar einem Konkurrenzverhältnis von Text und Bild bestimmt sieht (S. 428). Überzeugend arbeitet Kagerer heraus, dass vor allem das Bedürfnis, sich als neue Macht im adeligen Umfeld zu etablieren, als Motivation für die Kaufmannsfamilien erscheine derartig aufwändige Projekte anfertigen zu lassen. Festzustellen sei dabei ein Ineinanderfließen von alten und neuen Begründungsfiguren – Blut und Geld – und es dabei, durchaus spannungsreich, zu einem Changieren beider komme, wobei Ehre und Gut dabei mehr amalgamierten, als dass sie wirklich „entgegengesetzt“ gedacht worden sind. In diesem Zusammenhang habe sich gezeigt, wie sich das Handelshaus der Fugger an die Inszenierungen der Habsburger vor allem an die maßstabsetzenden multimedialen Werke Kaiser Maximilians angelehnt (S. 444) und diese zuweilen auch übertroffen habe (S. 429).

Kagerer hat eine überaus anregende Studie geschrieben. Die gleichzeitige Untersuchung des maximilianeischen Hofes mit dem der Fugger erweist sich als konsequent und richtig; in beiden Höfen lassen sich in der damaligen Zeit bedeutende, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Richtungen kommende Potenzen sehen. Der Vergleich zwischen einer alten und einer neuen Familie (bzw. neuen Familien) hinsichtlich Selbstdarstellung und Legitimation geht auf und führt zu zahlreichen wichtigen Einordnungen, die die Mediävistik ebenso wie die Frühneuzeitforschung bereichern. Auch wenn solche Fragen bis zu einem gewissen Grad immer Geschmacksfragen bleiben: Störend an dem Buch ist eine zuweilen umständliche, geschwollen-geschraubte Ausdrucksweise, die regelrechte Wort- oder Satz-Ungetüme produziert – oder banale Sachverwalte bedeutungsraunend begrifflich aufdonnert (z. B.: „Medien sind substantielle Konstituenten in den Entwürfen von Macht“, S. 5). Vieles hätte sich, ohne auf eine akkurate Wissenschaftssprache verzichten zu müssen, einfacher und damit klarer ausdrücken lassen. Als holzschnittartig muss der Historiker den allenfalls für den Bereich der Antrags-Prosa tauglichen Ausdruck „Nicht-Moderne“ (S. 4) empfinden – muss man wirklich so blockhaft Geschichte einteilen? Stirnrunzeln erweckt der Begriff „Gesellschaften zentraleuropäischer Prägung“ (S. 4) – was sollen das für Gesellschaften sein? Ausdrücklich ist jedoch zu bemerken, dass sich diese Eindrücke nicht auf das gesamte Buch beziehen, sondern lediglich an bestimmten Stellen gehäuft auftreten. Dass der „Aetas Maximilianea“ 5 für das Selbstverständnis des habsburgischen Herrscherhauses eine Schlüsselstellung zukommt und dass sich (mit Abwandlungen) neue Familien der Zeit an diese Modelle angelehnt haben – nach der Lektüre von Kagerers Buch glaubt man es gerne.

Anmerkungen:
1 Kagerer verweist auf hier auf Peter Strohschneider, Textheiligung. Geltungsstrategien legendarischen Erzählens im Mittelalter am Beispiel von Konrads von Würzburgs Alexius, in: Geltungsgeschichten. Über die Stabilisierung und Legitimierung institutioneller Ordnungen, Köln 2002, S. 109–147.
2 Christine Reinle, Was bedeutet Macht im Mittelalter?, in: Claudia Zey (Hrsg.), Mächtige Frauen? Königinnen und Fürstinnen im europäischen Mittelalter, Ostfildern 2015, S. 35–72.
3 Jan-Dirk Müller, Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I., München 1982.
4 Vgl. auch Alexander Kagerer, Medienmacher Maximilian. Entwürfe von Macht um 1500, in: Lukas Madersbacher / Erwin Pokorny (Hrsg.), Maximilianus. Die Kunst des Kaisers, Berlin 2019, S. 144–132.
5 Vgl. zum Begriff Dieter Mertens, Geschichte und Dynastie – zu Methode und Ziel der Fürstlichen Chronik Jakob Mennels, in: ders., Humanismus und Landesgeschichte Humanismus und Landesgeschichte. Ausgewählte Aufsätze, hrsg. von Dieter Speck und Birgit Studt, Stuttgart 2018, S. 707–744 (Erstveröffentlichung 1988).